Jenesien und seine Kirchen
Der Ort und seine Lage
Jenesien, ein Dorf mit rund 3000 Einwohnern – vor 80 Jahren, 1930, waren es etwa 800 – liegt ca. 1100 m hoch über Bozen am süd-östlichen Rand des Tschögglberges. Dieser Höhenzug des Mittelgebirges westlich des Ritten wird im Osten von der Talfer begrenzt, im Westen vom Etschtal. Von Bozen aus ist das Dorf durch eine von 1974 bis 1993 neu angelegte, vor allem aber in ihrem unteren Verlauf kühn geführte Straße auch mit dem Auto bequem erreichbar. Vorher gab es nur steile und schmale Pflasterwege, die kaum befahrbar waren. Für den Personenverkehr führt seit 1937 eine Seilbahn von Bozen nach Jenesien hinauf. Nördlich und westlich des Dorfes breitet sich die Hochfläche des Salten aus, eine weite Almfläche mit lockerem Lärchenbestand, die auch für Erholungssuchende und Wanderer gut erschlossen ist. Die Wege auf dem schattigen Mittelgebirge, die reine Luft, die großartige Aussicht in alle Himmelsrichtungen und nicht zuletzt eine wohltuende Stille locken die Menschen. Am nördlichen Ende des Salten steht die alte, schon um 1300 erwähnte Jakobskirche auf Lafenn (1525 m ü.d.M.), die bereits zur Pfarrei Mölten gehört.
Jenesien ist eine sehr alte Siedlung. Der Ort liegt offen nach Osten und Süden, seine Lage ist sonnig, das Klima angenehm. Zudem war die Sicherheit der Bewohner auf dem Berg in alten Zeiten besser gewährleistet als unten im Tal. Das alles erklärt die Wahl des Ortes für eine Siedlung trotz der mühsamen Steigungen. Dazu kommt, dass das Leben gesünder war als unten in den feuchten, vom Hochwasser bedrohten und noch im 19. Jahrhundert von Fieberseuchen geplagten Niederungen wie im Unterland am Ufer der Etsch. – Im hohen Mittelalter gehörte das Dorf, das dem Bischof von Trient unterstand, bis 1170 zur Herrschaft Greifenstein – die Ruine der über steil abfallenden Felsen gebauten Burg steht heute noch in Unterglaning unweit vom Gasthaus Noafer –, dann den Grafen von Tirol. Seit 1272 war Jenesien ein eigenes Gericht, und unter den Pflegern spielen die Herren von Goldegg als Wohltäter der Pfarrkiche eine wichtige Rolle. Die Pfarrei gilt, so in verschiedenen historischen Studien, als Urpfarre, weil sie ähnlich wie Innichen, Olang, Gais oder Tisens auf das 9. Jahrhundert zurückzugehen scheint. Als Beweis dafür dient u.a. das Fragment eines Missale, geschrieben in karolingischer Minuskel, einer im 9. und 10. Jahrhundert gebräuchlichen Schriftform, das für den 24. [so, nicht den 25.] August Gebete zum Fest des hl. Genesius enthält. Die in Brixen entdeckten Pergamentblätter, die man später für einen Bucheinband verwendet hatte, scheinen für die karolingische Kirche in Jenesien bestimmt gewesen zu sein, weil andere Genesius-Patrozinien dafür kaum in Frage kommen. Andergassen kommt allerdings, ausgehend von der freilich nur in Andeutungen bekannten Form der ersten Kirche, im Dorfbuch von Jenesien zu anderen Ergebnissen, jedenfalls was die Gründung einer Pfarrei angeht. 1189 wird Jenesien in einer Urkunde Kaiser Friedrich Barbarossas erstmals, soweit bekannt, als Pfarre genannt; drei Jahre vorher findet sich in einer Urkunde von Papst Urban III. die Bezeichnung in monte Sancti Genesii – „auf dem Berg des hl. Genesius“. Vielleicht dass vorher schon Reliquien des hl. Genesius „auf diesem Berg“ verehrt wurden.
Das Gebiet der Pfarrei war groß, es reichte noch im Hochmittelalter vom Jenesier Jöchl am Übergang zum Sarntal bis zum Zusammenfluss von Etsch und Eisack weit drüben im westlichen Bozner Becken. Jenesien sei im frühen Mittelalter nicht nur der kirchliche Mittelpunkt der Gegend gewesen, so die Ortsgeschichte, sondern soll auch ein bescheidenes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum gewesen sein, bis dann unten im Tal die rasch aufstrebende Stadt Bozen diese Rolle in weit größerem Ausmaß übernommen hat. Kirchlich gehörte Jenesien seit 1328 zum 1189 gegründeten Chorherrenstift Maria in der Au, das wegen der häufigen Überschwemmungen 1406 nach Gries verlegt und nach seiner Auflösung um 1800 von den Benediktinern aus Muri in der Schweiz im Jahre 1845 neu besiedelt wurde. Diese Mönche mussten nämlich 1841 ihrerseits ihr Kloster verlassen. Das „neue“ Kloster in Gries übernahm, wie dies schon vorher durch die Augustiner-Chorherren getan wurde, die Seelsorge in Jenesien und betreut die Pfarrei bis heute.
Was ist eine Kirche?
Diese Frage mag als überflüssig erscheinen. Und doch soll sie hier gestellt werden, um den Schmuck und den Aufwand beim Bau einer Kirche zu rechtfertigen, um die Botschaft ihrer Ausstattung verständlich zu machen. Die liturgischen Texte des Kirchweihfestes geben auf diese Frage eine klare Antwort. In der Präfation zum Kirchweihfest, um dieses Beispiel auszuwählen, betet die Kirche:
„Zu Deiner Ehre, o Gott, wurde dieses Haus errichtet, in dem Du Deine pilgernde Kirche versammelst, um ihr darin ein Bild Deiner Gegenwart zu zeigen und ihr die Gnade Deiner Gemeinschaft zu schenken. [...] Hier lenkst Du unseren Blick auf das Himmlische Jerusalem und gibst uns die Hoffnung, dort Deinen Frieden zu schauen.“
Eine Kirche ist also mehr als ein bloßer Versammlungsraum für die Gemeinde, sie ist Haus Gottes, „ein Bild von Gottes besonderer Gegenwart“. Deshalb die große Sorgfalt in Bau und Ausstattung, die dem Besucher der Kirche auch in Jenesien begegnet. Beispielhaft für diese Anstrengung ist der Bericht vom Tempelbau König Salomons im 3. Buch der Könige des Alten Testamentes. Der Kirchenbau will auch ein Abbild des Himmels, des „Himmlischen Jerusalem“ sein. Das alles erklärt das Streben nach Schönheit, die der Verehrung Gottes angemessen ist und dem Besucher hilft, sich daran zu erbauen und seinen Geist dem Heiligen und Transzendenten, dem Geheimnis des Glaubens zu öffnen.